Die Frage, ob Tiere Gefühle haben, die denen von Menschen ähnlich sind, war lange umstritten. Heute geht die Verhaltensforschung davon aus, dass sie ebenso Freundschaften schließen, wie um vertraute Mitgeschöpfe trauern können.


In der Erforschung und Betrachtung des Verhaltens von Tieren hat es in den letzten hundert Jahren ganz verschiedene Strömungen gegeben. Die Behavioristen etwa untersuchten Verhalten mit rein naturwissenschaftlichen Methoden und ließen auch keine andere Deutung zu. Tieren wurde ein Gefühlsleben abgesprochen. Altruistisches Verhalten habe nichts mit Freundschaft oder Liebe zu tun, so hieß es. Es wäre der reine Instinkt, der in Wirklichkeit der Arterhaltung dienen würde. Gefühle wie Freundschaft, Liebe, Trauer wurden Tieren nicht zuerkannt, weil sie nicht messbar waren.

In der Ethologie, der vergleichenden Verhaltensforschung, gibt es schon lange Erkenntnisse, die etwas Anderes belegen. Untersuchungen an Wild- und Haustieren zeigen, dass bestimmte Spezies über Denk- und Lernvermögen verfügen, das dem von menschlichen Kindern nicht nachsteht. Warum sollten Tiere also nicht auch Gefühle haben, die denen der Menschen ähneln?

Graue getigerte Katze schaut melancholisch aus dem Fenster
Dass Tiere Gefühle haben, steht für die Wissenschaft heute fest. Aber können sie trauern?


Können Tiere trauern?  

Wenn Tiere Gefühle haben und zeigen, laufen bei ihnen ähnliche körperliche Vorgänge ab, wie beim Menschen. Angst, Aggression, Freude gehen immer auch einher mit physiologischen Vorgängen – der Herzschlag beschleunigt sich, Hormone werden ausgeschüttet, das sogenannte sympathische Nervensystem arbeitet. Die Verhaltensforscher schließen daraus, dass analog zum Menschen bei Tieren mit solchen Reaktionen auch ähnliche Gefühle eine Rolle spielen.

Sicher haben Sie schon einmal Bilder von Tiermüttern gesehen, die ihre toten Kinder noch lange mit sich herumtragen. Sie versuchen die Kleinen zu wärmen und können nicht akzeptieren, dass ihr Nachwuchs nicht mehr lebt. Von Primaten, besonders den Menschenaffen sind solche Bilder dokumentiert. Ist das Trauer oder wie lässt es sich erklären?


Katzenmutter mit Jungtier in einer Wohnung
Kätzinnen sind wahre Löwenmütter und verteidigen ihre Kinder. Aber sie scheinen oft nicht lange um sie zu trauern.

Katzenmütter trauern selten lange um ihre Jungen

Bei sehr jungen Katzenmüttern kommt es oft vor, dass sie recht große Würfe auf die Welt bringen. Und vor allem bei verwilderten Hauskatzen überleben längst nicht alle Welpen. Manchmal beachten die Mütter ein oder mehrere Kinder nicht und nehmen sie nicht an. Ebenso wenig scheint es, trauern sie, wenn diese nicht überleben. Ob der Instinkt der Mutter sagt, dass diese winzigen Wesen nicht überlebensfähig sind und sie sich deshalb nur um die anderen kümmert? Wir wissen es nicht. Es kann eine Brutpflegestörung sein, wie sie bei allen Tiermüttern vorkommt. Auch wenn der Instinkt gewisse Abläufe vorgibt, müssen manche Katzenmütter erst Erfahrungen sammeln und lernen, was sie zu tun haben.

Irgendwann im Laufe der nächsten Wochen nach der Geburt trennen sich die Wege von Mutter und Kindern. Die männlichen Jungtiere suchen sich meist ein eigenes Revier, die Töchter bleiben eher bei den Müttern und bilden Kolonien mit anderen weiblichen Tieren. Auch hier scheint die Natur für Trauer über die Trennung nicht unbedingt Raum vorzusehen. Das Abnabeln der Jungen geschieht allmählich und manchmal auch unter energischer Mithilfe der Altkatze.

In menschlicher Obhut bleiben die Welpen ja nur einige Wochen bis Monate mit ihrer Mutter zusammen, bis sich ihre Wege trennen. Dann kann es sein, dass die Mutter einige Tage durch das Haus wandert und scheinbar sucht. Ist das Trauer? Einen Einfluss darauf hat der Zeitpunkt der Abgabe. Nicht umsonst sollen Mütter und Kinder mindestens zwölf bis 14 Wochen zusammenbleiben – dann setzt ganz langsam die von der Natur vorgesehene Trennung der Jungtiere ein. Dennoch reagiert jede Katze anders und individuell. So gibt es Mütter und Kinder, die lebenslang eine enge Bindung haben – andere wieder nicht.


Trauer bei Katzen ist individuell

Samtpfoten haben in jeglicher Hinsicht ein anderes Sozialverhalten als Hunde. Sie sind keine geborenen Rudeltiere. Sie jagen alleine, leben nicht in Familien oder Verbänden. Das heißt nicht, dass sie Einzelgänger sind – von denen es ja ohnehin im Tierreich nur wenige gibt. Sie können sozial, müssen aber nicht gesellig sein – das hängt von vielen Faktoren ab.

Rotweiße und grau getigerte Katze in engem Körperkontakt
Auch unter Katzen gibt es enge Bindungen und das Gefühl von Verlust.

Dementsprechend können sie sehr wohl enge Bindungen und Freundschaften zu anderen Lebewesen aufbauen, müssen es aber nicht. Haben sich zwei gefunden, die das Leben gemeinsam meistern, dann kann die Trennung oder der Verlust unter Umständen den zurückgebliebenen Partner sehr irritieren.  Die „Trauer“, wenn sie es denn ist, kann sehr unterschiedlich ausfallen.

Manche Samtpfoten:

  • fressen nicht mehr oder nur noch sehr wenig
  • sind unruhig und wandern durch die Wohnung
  • vokalisieren viel und laut
  • kratzen sich blutig
  • lecken sich das Fell weg, bis die Haut kahl ist
  • ziehen sich zurück, wirken teilnahmslos
  • wollen nicht mehr spielen oder nach draußen
  • sind verunsichert und reagieren auf Zuwendung aggressiv

Ob Ihre Katze eher zu Unruhe neigt und zu zwanghaftem Verhalten oder Autoaggression oder ob sie sich in eine innere Emigration zurückzieht, hat mit dem Charakter zu tun. Aber auch die Genetik und die Rasse spielen eine Rolle. Sehr extrovertierte Tiere werden offensichtlicher reagieren. Ruhige Vertreter ziehen sich in sich selbst zurück.


Die Katze Abschied nehmen lassen

Die Welt hat sich für immer verändert. In den ersten Tagen nach der Trennung oder dem Verlust eines Partners zeigt sich, wie Ihre Schnurrerin mit der neuen Situation umgeht. Wann immer es möglich ist, geben Sie bitte der verbliebenen Katze die Möglichkeit, sich von dem verstorbenen Tier zu verabschieden. Legen Sie Ihre Katze so, dass die andere sie sehen und berühren kann, wenn sie möchte. Es gibt Berichte, dass manche besten Freunde eine ganze Nacht neben dem verstorbenen Tier Wache gehalten haben. Andere wiederum begnügen sich damit, kurz an dem Körper zu schnuppern, drehen sich dann weg und gehen. Ob nun die einen trauern und die anderen nicht, kann kein Mensch beurteilen. Aber die Tiere haben so die Gelegenheit zu begreifen, dass ihre Mitkatze nicht wiederkommt – das ist wichtig, um zu verstehen und abschließen zu können. Wenn die Zuhause gebliebenen Tiere diese Gelegenheit nicht haben, suchen sie manchmal tage- und wochenlang – das ist für Mensch und Katze sehr quälend.


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Was können Sie tun, um der Katze in der Trauer zu helfen?

Die wichtigste Regel ist die: Beobachten Sie Ihr Tier gut und versuchen Sie, nicht die eigenen Gefühle auf die Vierbeinerin zu projizieren. Das ist schwer, weil wir Menschen ja mit unserer eigenen Trauer umgehen müssen. Aber bedrängen oder zwingen Sie Ihre Mieze zu nichts. Sprechen Sie sie freundlich an, machen Sie Angebote von Zuwendung und Beschäftigung. Aber akzeptieren Sie auch, wenn sich die Begeisterung in engen Grenzen hält. Manche Katzen brauchen Abstand, um sich im Leben neu zu orientieren – die eine mehr, die andere weniger. Versuchen Sie, tägliche Rituale zu etablieren – eine „neue Normalität“ zu schaffen. Das kann Wochen oder Monate dauern.


Die Katze ist verstorben und eine neue Artgenossin (k)eine gute Idee

Der Gedanke liegt nahe: den eigenen Schmerz und die Trauer der verbliebenen Katze zu überwinden, indem man eine neue Samtpfote ins Haus holt. Leider geht das oft schrecklich schief. Entweder trauert ein Lebewesen um einen vertrauten Partner und ist ganz und gar nicht bereit, einfach irgendeinen „Ersatz“ zu akzeptieren. Oder die Katze blüht förmlich auf und beansprucht nun Dinge für sich allein, die sie bisher immer teilen musste. Jetzt wieder neue Kompromisse machen zu müssen, ist für sie alles andere als erfreulich. Und dann gibt es tatsächlich noch diejenigen, die wirklich einfach nicht ohne eine Mitkatze sein können und sich über Gesellschaft freuen. Dann stet jetzt die Frage, wer passen könnte.


Kein Jungtier zu einer Seniorin

Ein klassisches Missverständnis ist es auch zu denken, eine Seniorin würde aufblühen, wenn nun ein Jungtier einzieht. Oder eine ältere Katze würde Muttergefühle für ein Katzenkind entwickeln. Das ist in der Regel nicht der Fall. Ein junger ungestümer Konkurrent, der frech alles für sich beansprucht, setzt die trauernde Katze noch mehr unter Stress. Besser ist, wenn überhaupt, eine erwachsene Katze, von der bekannt ist, dass sie gut mit anderen Tieren auskommt. Auch das bietet keine Garantie, aber kann eher gelingen. Manchmal aber kommt nach der Trauerphase ein neuer Lebensabschnitt, in dem die alleine lebende Katze sich gut eingerichtet hat und nicht mehr teilen möchte. Ihr dann, wenn auch gut gemeint, wieder eine Artgenossin zuzumuten, bringt meistens große Unruhe, oft auch heftige Auseinandersetzungen mit sich.

 


Trauern Katzen bei Besitzerwechsel?

Nicht selten kommt es vor, dass eine Katze ihren Bezugsmenschen verliert. Vielleicht stirbt er oder kommt in ein Altenheim, in dem Tiere nicht erlaubt sind. Vielleicht wird die Mieze aber auch nur abgegeben und landet im Tierheim. Viele Tiere leiden offensichtlich darunter. Sie verkriechen sich, fressen schlecht, sind verängstigt. Wer kann schon wissen, was ihnen mehr zu schaffen, der Verlust der gewohnten Umgebung oder dass der vertraute Zweibeiner nicht mehr da ist. Vielleicht ist es ja beides. Jedenfalls bricht eine Welt zusammen, wenn eine große Liebe zwischen Zwei- und Vierbeiner zu Ende geht. Das ist für das Gewohnheitstier, dass die Katze ist, eine große Herausforderung. Zum Glück haben Samtpfoten einen ungeheuren Überlebenswillen und eine legendäre Zähigkeit. Die lassen sie viele schwierige Situationen überstehen. Und so öffnen sich die Minitiger meist bald wieder für den Schritt in ein neues Leben.


Fazit

Können Katzen trauern? Wir wissen es nicht, aber alle spricht dafür, weil Tiere beim Verlust eines vertrauten Wesens sehr ähnliche Reaktionen zeigen wie der Mensch. Helfen können Sie als Halter, indem Sie ruhig und freundlich Zuwendung anbieten, aber das Tier nicht bedrängen. Überlegen Sie gut, ob Sie wirklich eine neue Katze vergesellschaften wollen.